Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Universitätsklinikum Ulm
Einleitung
Eine der primären Funktionen der Haut ist die Abwehr von äußeren
Noxen. Die äußerste Barriere bildet dabei ein Hydrolipidfilm,
der in einer Emulsion von Schweiß, Hauttalg sowie Abbauprodukten
aller Hornschichtanteile besteht. Die Abwehrkraft dieses Films ist wegen
zu geringer Barrierewirkung und nicht konstanter Pufferkapazität
verhältnismäßig gering. Die Schutzfunktion der Haut selbst
ist abhängig von ihrer Lokalisation, ihrem Alter, der Konzentration
der vorhandenen Lipide und dem Gehalt von wasserbindenden Anteilen in
der Hornschicht.
Ein häufiges Waschen - insbesondere der Hände - bewirkt eine
Extraktion der natürlichen Schutzschicht. Dies gilt auch für
die Verwendung flüssiger Händedesinfektionsmittel. Sie enthalten
für ihre biologische, keimtötende Wirkung einen oder mehrere
niedere Alkohole in höheren Konzentrationen. Um den Hydrolipidfilm
nach mehrmaligem Händewaschen nach Kontakt mit potentiell infektiösem
Patientenmaterial oder Schmutz zu erhalten bzw. wieder aufzubauen, werden
den Produkten rückfettende Begleitstoffe in geringen Mengen zugegeben.
Zusätzlich können Spuren von schwer flüchtigen Bestandteilen
mit desinfizierender Wirkung, Geruchsstoffe sowie mehrwertige Alkohole
enthalten sein. Beim Händewaschen werden bevorzugt hydrophile Stoffe,
intercorneales Material sowie ablösbare Hornschuppen mit der Waschlösung
weggespült. Standardisierte Methoden, mit denen diese komplexen Wechselwirkungen
in der äußersten Hautbarriere der Hände zu suchen sind,
finden sich bislang nicht in der Literatur.
Methode
Um oberflächenaktive Komponenten in der Abwaschlösung zu
bestimmen, wird der physikalische Parameter Oberflächenspannung nach
standardisierten, okklusiven Abwaschversuchen an hautgesunden Probanden
herangezogen. Somit kann der Einfluss von Desinfektionsmitteln und deren
Komponenten auf die Hautoberfläche der Hände nach einmaliger
und wiederholter Anwendung untersucht werden.
Reines Wasser besitzt als Waschmedium bei 30 °C, entspricht der Hauttemperatur,
eine herausragend hohe Oberflächenspannung von 71,1 mN/m. Niedere
Alkohole, wasserlösliche Rückfetter, natürliche Emulgatoren,
Tensidspuren sowie Geruchsstoffe können bereits in geringen Mengen
die Oberflächenspannung des Wassers um 10 - 20 mN/m senken. Wiederholte
Waschungen einer normal gesunden, unbehandelten Haut ergeben jedoch nur
eine geringe Reduktion der Oberflächenspannung des benutzten Wassers
(0,6 - 1,6 mN/m).
Ergebnisse
Alkoholische Händedesinfektionsmittel werden bis zur Trockenheit
in die Hände eingerieben. 5, 10 und 15 Minuten später ergeben
die nachfolgenden Wasserwaschungen für das jeweilige Händedesinfektionsmittel
spezifische, gleichbleibende Oberflächenspannungswerte. Die reproduzierbare
Oberflächenspannung in Waschlösungen mit unterschiedlicher zeitlicher
Distanz zur flüssigen Händedesinfektion zeigt, dass Alkoholreste
bereits 5 Minuten nach Beginn der Desinfektion keinen Einfluss auf die
Oberflächenspannung der Waschlösung haben. Bei aufeinanderfolgenden
Abwaschungen, 5 min, 15 min, 30 min und 60 min nach Desinfektionsbeginn,
zeigt die erste Abwaschflüssigkeit jeweils die stärkste Erniedrigung
der Oberflächenspannung, mit Abstand gefolgt von der zweiten Abwaschflüssigkeit,
usw. Spätere Abwaschungen nähern sich bzw. erreichen die Werte
des Kontrollkollektivs.
Rückfettende Substanzen in Verdünnungsreihen bzw. aus Verdunstungsrückständen
beeinflussen unterschiedlich stark die Oberflächenspannung von Wasser.
Werden diese Referenzwerte mit den Messwerten aus In-vivo-Abwaschungen
verglichen, lässt sich die Elutionsrate des Rückfetters aus
den gemessenen Oberflächenspannungen ermitteln. Bei einigen Desinfektionsmitteln
konnte eine Elutionsrate der Rückfetter in der ersten Abwaschlösung
zwischen 22 % und 41 % bestimmt werden, d.h. ein Teil der eingesetzten
Rückfetterkombinationen verbleibt in der Haut und unterstützt
damit die Hautlipidfunktion und den Hydrolipidfilm wirkungsvoll.
Schlussfolgerung
Die standardisierte Messung der Oberflächenspannung von Wasser
in entsprechenden In-vitro- und In-vivo-Prüfanordnungen erlaubt es,
hautschonende Eigenschaften von Händedesinfektionsmitteln auch nach
wiederholtem Gebrauch praxisnah zu definieren und möglichen Optimierungsbedarf
für die Beeinflussung der Hautlipide an der äußersten
Grenzfläche darzustellen.
Foto: Gesellschaft für Dermopharmazie |