Prof. Dr. Rainer
H. Müller*
Nanostrukturierte Lipidcarrier (NLC):
Die
neue Generation der Lipid-Nanopartikel für dermale Anwendungen
PharmaSol GmbH, Berlin
Liposomen wurden 1986 als Träger in topischen Formulierungen
von dem Kosmetikhersteller Dior eingeführt. Das Produkt hieß "Capture"
und wurde als "der Sieg der Wissenschaft über die Zeit" angekündigt.
Es dauerte dann noch ein halbes Jahrzehnt bis die ersten pharmazeutischen Produkte
auf der Basis von Liposomen auf den Markt kamen. Kein anderes neues topisches
Trägersystem fand so eine breite Anwendung im pharmazeutischen und insbesondere
kosmetischen Bereich, weder die multiplen Emulsionen (z. B. in kosmetischen
Produkten von Beiersdorf) noch die Mikroemulsionen (z. B. in Contrafugin®).
Besonders in der Öffentlichkeit wurde keinem anderen Trägersystem
so viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der Ausdruck Liposom ist oder war vielen Kunden
ein Begriff (natürlich ohne genaueres Wissen darüber, worum es sich
dabei handelt). Kurz: Liposomen können - insbesondere auf dem kosmetischen
Sektor - als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Seit der Einführung von
Liposomen Mitte der 80er konnte jedoch kein anderes neues Trägersystem
einen ähnlichen Erfolg verzeichnen. Es besteht also definitiv Bedarf für
die Entwicklung eines neuen Systems.
Zu Beginn der 90er wurden die festen Lipid-Nanopartikel (SLN) entwickelt. Die
Herstellung erfolgte in unserer Arbeitsgruppe mit Hilfe der Hochdruckhomogenisation,
die Gruppe um Gasco in Turin/Italien verwendete eine Mikroemulsionstechnik.
Im Grunde sind SLN ein attraktiver Träger für Topika. Sie bestehen
aus gut verträglichen, akzeptierten Inhaltsstoffen, die aus dem Bereich
der Emulsionen und Liposomen bekannt sind. Gleichzeitig haben sie im Unterschied
zu Emulsionen und Liposomen eine feste Matrix, die den Schutz von chemisch labilen
Stoffen ermöglicht und eine Abwandlung der Freisetzung erlaubt. Innerhalb
eines halben Jahrzehnts begannen Arbeitsgruppen weltweit mit der Forschung an
diesem System, hauptsächlich jedoch auf pharmazeutischem Gebiet. Trotz
ihrer Vorteile sind mit SLN jedoch einige Einschränkungen verbunden, vor
allem:
1. eine begrenzte Beladungskapazität
2. ein möglicher Ausschluss des Wirkstoffs
3. ein zu großer Wasseranteil der Partikeldispersion.
Als verbesserter Lipidcarrier auf der Basis von festen Lipiden wurde am Rande
des neuen Jahrtausends der nanostrukturierte Lipidcarrier (NLC) entwickelt. Begründet
durch die spezielle Matrixstruktur ist die Beladungskapazität erhöht,
ein Arzneistoffausstoß wird verhindert, und mit Hilfe eines speziellen Produktionsverfahrens
können Partikeldispersionen hergestellt werden, die über die Konsistenz
einer Creme oder Paste verfügen.
Die Beladung eines festen Lipids mit einem Wirkstoff ist niedrig, wenn die Lipide
eine perfekte Kristallstruktur ausbilden und so wenig Raum für die Inkorporation
anderer Stoffe lassen. Der Ausstoß des inkorporierten Wirkstoffs tritt auf,
wenn ein fester Lipidpartikel zunächst eine weniger geordnete Matrix besitzt,
die eine höhere Wirkstoffinkorporation ermöglicht, und sich dann während
der Lagerung nach und nach eine geordnetere, stabilere Kristallmodifikation ausbildet.
Der höhere Ordnungsgrad und die reduzierte Anzahl an Defektstellen führt
zur Verdrängung der Fremdstoffe. In NLC wurde dies verhindert, indem die
Matrix unter Verwendung räumlich sehr unterschiedlicher Lipide ausgebildet
wurde, das heißt indem feste Lipide mit einem bestimmten Anteil an flüssigen
Lipiden (Ölen) gemischt wurden. Diese Mischung bleibt schon a priori in einem
weniger geordneten Zustand, es können aber auch zusätzlich noch Stoffe
zu NLC enthaltenden Cremes oder Salben gegeben werden, die die Transformation
zur stabileren Lipidmodifikation unterbinden.
Wie bereits für SLN gezeigt, kann die feste Lipidmatrix der NLC labile Stoffe
vor Abbau schützen. Beispiele sind Retinol und das Coenzym Q10. Neben einer
Verlängerung der Haltbarkeit von Produkten kann die Herstellung kostengünstiger
erfolgen, wenn bestimmte Schutzmaßnahmen (wie zum Beispiel die Anwendung
von Schutzgas) nicht zum Einsatz kommen müssen.
Nach dermaler Applikation bilden NLC einen Film, der den Wasserverlust der Haut
reduziert und zu erhöhter Hautfeuchtigkeit führt. Generell führt
ein verminderter Wasserverlust und höhere Feuchtigkeit zu einer verstärkten
Penetration von Wirkstoffen. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung der
NLC enthaltenden Creme oder Salbe kann der Verbraucher diese Filmbildung spüren.
Das heißt die Neuheit des Produktes ist nicht nur auf der Verpackung deklariert,
sondern kann auch vom Verbraucher selbst erfahren werden.
Der Effekt der Feuchtigkeitssteigerung durch Lipid-Nanopartikel wurde in vielen
In-vitro-Tests beschrieben. Vor kurzem wurde eine Humanstudie durchgeführt,
um den Effekt einer handelsüblichen Creme mit und ohne feste Lipid-Nanopartikel
auf Hautfeuchtigkeit und Hautelastizität zu vergleichen. Der Zusatz von Nanopartikeln
zu der Creme verbesserte ihre Wirkung. Im Grunde können Nanopartikel zu jedem
bereits bestehenden Handelsprodukt zugesetzt werden. Dies ermöglicht eine
Verbindung der Vorteile der neuen Nanopartikel-Technologie mit denen bereits etablierter
Produkte. Eine vollständige Neuentwicklung ist nicht nötig.
Das Vorhandensein einer Technologie für die Großproduktion ist der
Schlüssel für die Einführung eines Trägersystems auf dem Markt.
NLC werden durch einen Hochdruck-homogenisationsprozess oder alternativ durch
Kombination von Hochdruckhomogenisation und einer konventionellen Rührtechnik
(z. B. um 80%ige Dispersionen herstellen). Die Technologie der Hochdruckhomogenisation
findet sowohl in der Nahrungsmittel- als auch in der kosmetischen und pharmazeutischen
Industrie breite Anwendung. Von den Behörden zugelassene Produktionsanlagen
stehen bis zu einer Kapazität von einer Tonne pro Stunde und mehr zur Verfügung
(z. B. APV Gaulin Systems, e. g. Rannie 118).
Zur Zeit konzentriert sich die steigende Aufmerksamkeit auf die Verwendung von
Lipid-Nanopartikeln mit fester Matrix zur topischen Applikation von Wirkstoffen
sowohl in Pharmazie als auch Kosmetik. Eine kosmetische Verwendung hat den Vorteil
einer sehr kurzen Entwicklungszeit bis zur Markteinführung und natürlich
weniger behördlichen Hürden. Kosmetische Anwendungen können vielfältig
sein, z. B. zählt dazu auch die verzögerte Freisetzung von Parfums oder
Insektenabwehrstoffen. Die weiße Färbung der festen Partikel kann unerwünschte
Färbungen im Produkt überdecken (z. B. gefärbte Abbauprodukte von
Wirkstoffen). Ein anderer wichtiger Punkt für die Vermarktung ist die Exklusivität
der NLC-Technologie, die Patentanmeldung ist zur Zeit weltweit in der nationalen
Phase (einschließlich Korea und China als Märkte der Zukunft). Es wird
vorausgesagt, dass das erste topische Produkt aus dem Bereich der Kosmetik stammen
wird.
*unter Mitarbeit von Sylvia Wissing (2), Magdalene Radtke (1)
(1) PharmaSol GmbH, Berlin
(2) Freie Universität Berlin, Institut für Pharmazeutische Technologie,
Biopharmazie und Biotechnologie, Berlin
Prof.
Dr. Rainer H. Müller
Foto: Gesellschaft für Dermopharmazie
|
Copyright © 2000
- 2002 Institute for Dermopharmacy GmbH webmaster@gd-online.de